„Der Blick hat etwas Reziprokes. Das ist eine wichtige Erfahrung des Filmemachens.”
Interview mit Isa Willinger
Famos: Hallo, Isa Willinger. Ich freue mich sehr über unser Gespräch heute.
Isa Willinger: Danke!
Famos: Dein Dokumentarfilm NO MERCY hat mich sofort angesprochen, da ich mich mit deinem Thema während meines Filmstudiumss beschäftigt habe.
Es geht um 14 Filmemacherinnen, die sich alle auf individuelle Weise, basierend auf ihrer eigenen Geschichte, mit dem Thema “patriarchale Machtstrukturen” im Filmnarrativ auseinandergesetzt haben und ihre eigenen Filme drehen.
Wie war diese Erfahrung für dich und wie lange dauerten die Dreharbeiten?
IW: Die Erfahrung war super, sehr intensiv und sehr inspirierend. Ich sag immer, die Arbeit an dem Film war für mich wie eine zweite Filmschule, weil ich in der Recherche ganz viel entdeckt habe,
was ich selbst nicht kannte. Filmemacherinnen, bei denen man sich fragt, wie kann das sein, wieso haben wir diese Filme nicht in der Filmhochschule gesehen? Wieso habe ich sie sonst nie im Kino
irgendwo entdeckt? Es war eine lange Recherche, ich habe wahnsinnig viele Filme gesichtet, hunderte. Und tatsächlich habe ich gar nicht so lange gedreht.
Ich glaube, wir hatten bei diesem Film unter 20 Drehtage, weil wir mit sehr viel Archivmaterial arbeiten.
Famos: Wie war deine Erfahrung mit den Filmemacherinnen?
IW: Sehr unterschiedlich. Ich fand jede Begegnung intensiv und interessant. Jedes Gespräch, wir haben nichts aussortiert. Oft ist es im Dokumentarfilm so, dass man mit mehr Protagonistinnen dreht, als man dann im Film behält, weil sie vielleicht dramaturgisch nicht mehr in den Film passen. Das war diesmal nicht so. Ich fand sie auch super interessant in ihrer Unterschiedlichkeit. Auch darin, dass sie mir manchmal sehr stark
widersprochen haben. Es bringt einen weiter im Denken und wichtig finde ich auch, dass man letztlich auch die Pluralität des Denkens und der Filmsprache anerkennt. Das war klar von Anfang an. Der Tatsache, dass Frauen
schon immer ganz unterschiedliche Filme gemacht haben und machen, der muss auch Rechnung getragen werden. Ich will es nicht so darstellen, als hätten Frauen nur super harte, blutige Filme gemacht.
Es ist schon ein bisschen komplexer.
Famos: Der Film ist ja auch eine Hommage an die ukrainische Regisseurin Kira Muratowa, eine der wichtigsten Regisseurinnen der Sowjetunion, wie du im Film sagst. Wenn du ihre Filme beurteilst,
stimmt ihre These, dass Frauen die härteren Filme machen? Und wie unterscheidet sich ihre Ästhetik zu den anderen Filmemacherinnen?
IW: Der Film umkreist diese Frage sozusagen und findet dann unterschiedliche Blickwinkel auf diese Frage und Erklärungsansätze. Natürlich möchte ich jetzt nicht alles verraten (lacht). Aber ich kann zu den verschiedenen Annäherungen an diese Frage ein bisschen was erzählen. Wir gehen das einerseits filmhistorisch an. Gab es vielleicht eine bestimmte Epoche des weiblichen Filmschaffens, in der das besonders der Fall ist?
Dann die Frage: Was kann Härte überhaupt im Film alles bedeuten? Man kommt weg von der Gewalt und fragt sich, was kann Härte noch alles sein? Man kann die Beobachtung Muratovas soziologisch begründen. Es gibt vielleicht eine bestimmte Erfahrung, die Mädchen oder Frauen in der Gesellschaft machen, die sie dann verleitet, bestimmte Themen zu erzählen.
Famos: Du hast zwei Semester in New York studiert, Film und Soziologie. Ich übrigens in der Kombination auch. Ich habe mich in meiner Masterarbeit mit der These beschäftigt, wie sich der feministische Film differenziert und definiert anhand der Filme von Céline Sciamma. Ich habe ihre Filme analysiert und teilweise bin ich zu dem Fazit gekommen, dass sich die Machtstrukturen im lesbischen Blick, zum Beispiel in WATER LILIES oder
PORTRAIT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN, übertragen und das patriarchale Gefüge nicht wirklich verlassen. Gibt es für dich eine Definition des feministischen Films und wie unterscheidet sich der lesbische Blick vom männlichen Blick?
IW: Feministischer Film kann so vieles sein. Natürlich sollten Frauen nicht allein als Sexobjekte dargestellt werden und sie sollten eine Art von Vielschichtigkeit bekommen.
Sie sollten Akteurinnen und Subjekte im Film sein dürfen, denen der Blick auch oder ausschließlich gehört und die eine Handlungsmacht haben. Diese Filme können aber auch von Männern gemacht werden.
Um noch einen Schritt zurückzugehen: Es gibt ja in der Filmtheorie von Laura Mulvey die Theorie des Male Gaze, des männlichen Blicks. Das ist bei Mulvey ein voyeuristischer, lustvoller Blick auf den weiblichen Körper. Für Mulvey wird die weibliche Figur als fetischhaftes Objekt für den männlichen Zuschauer präsentiert. Das hat mich als Studentin total irritiert. Ich verstehe natürlich, dass das in der Filmtheorie superwichtig war, überhaupt mal diesen Denkraum aufzumachen, in den 70er Jahren. Aber 30 Jahre später dachte ich, das ist doch eigentlich supersexistisch. Wenn Frauen im Zuschauerraum nicht auch einen lustvollen Blick auf eine spektakelhafte Präsentation eines Körpers ausüben können. Mir hat das nicht gefallen, dass man Frauen – filmtheoretisch – in eine Position bringt, in der sie nicht lustvoll blicken können. Ich als Filmemacherin liebe ja auch das Schauen, sonst würde ich mir nicht dieses Medium aussuchen. Von daher finde ich, diese Theorien greifen etwas zu kurz. Da gibt es eine wundervolle Szene in dem Film „Portrait einer jungen Frau in Flammen“ von Céline Sciamma, in der es um den Blick geht. Die Malerin und die Gemalte stehen sich gegenüber. Und die gemalte Frau sagt zur Malerin, „ ich schaue dich genauso an. Ich bin zwar dein Objekt, aber ich schaue und beobachte dich ganz genauso und bin damit gleichzeitig ein blickendes Subjekt" Der Blick hat etwas Reziprokes, was in beide Richtungen gehen kann. Das finde ich auch eine wichtige Erfahrung des Filmemachens.
Auch die Leute, mit denen ich drehe, die vor meiner Kamera stehen, sind nicht einfach das Objekt und ich das Subjekt. Ich bin auch von denen affiziert. Das ist ein gemeinsamer Tanz. Von daher greifen vieler dieser Theorien zu kurz.
Eine meiner Lieblingsantworten ist eigentlich von Nina Menkes, die sagt, wenn eine Filmemacherin eine weibliche Filmfigur nicht als Sexobjekt präsentiert, ist das so ungewohnt, das wirkt dann sofort hart auf die Zuschauer. Das ist eine sehr schlaue Antwort. Aber es gibt noch mehr antworten in dem film.
FAMOS: Ich habe mich auch gefragt, ob dieser Male Gaze nicht eigentlich geschlechtsunabhängig ist. Und ob es nicht eher eine Machtstruktur ist?
IW: Machtstruktur gefällt mir nicht so gut, weil es wertend ist. Aber geschlechtsunabhängig finde ich gut. Monika Treut hat in einem Moment gesagt, dass sie diesen Blick auf Marlene Dietrich in den Sternberg Filmen - das ist ja das klassische Beispiel von Laura Mulvey – auch total liebt. Von daher ist es viel komplexer. Von daher kann man auch nicht die gesamte Haltung eines Films an diesen einzelnen Blickmomenten festmachen. Man muss die gesamte Narration angucken:
Gibt es Momente, wo diese fetischhafte Frauenfigur zu einer handelnden wird und vielleicht doch ein Subjekt ist? Dann ist ein Film vielleicht doch wesentlich vielschichtiger zu sehen, als wenn man nur diesen einen Moment herausgreift, in der sie in ihrer Schönheit alles überstrahlt und wir sie begaffen sollen. Man muss schauen in welche Position die Figur innerhalb der Narration gerät. Wie können wir Zuschauer:innen mit ihr mitgehen? Machen wir ihre Erfahrung oder nicht? Dann kann man nicht mehr einfach vom bösen Male Gaze sprechen.
Famos: Denkst du, wenn man die Machtfrage durch eine umgedrehte Perspektive löst, wie Virginie Despentes sagt, sozusagen Gewalt als Rache der Frau, es die richtige Antwort ist? Damit bestätigt man ja Gewalt.
Und es kann ja eigentlich nie die richtige Antwort sein.
IW: Ja, ich finde, es kann auch nie die falsche Antwort sein. Jede Antwort, die mir gegeben wurde, hat ihre Berechtigung. Es ist nachvollziehbar und möglich, dass man eine Frau als Gewalttäterin darstellet in einer Rohheit und Brutalität. Es ist sogar interessant, weil wieder Vorstellungsräume aufgehen. Die weibliche Figur wird dadurch sehr aus ihrer Passivität herausgeholt, die sie ja assoziativ immer noch stärker hat als eine männliche Figur. Ich finde dieses Erweitern von Denkräumen wichtig. Auch innerhalb des Feminismus. Aber dann muss es wieder einen nächsten Schritt geben. Und einen übernächsten. Eröffenen derlei Bilder immer noch Vorstellungsräume? Wo sind wir historisch in Bezug auf diese Bilder?
Ich glaube Virginie Despentes Film BAISE-MOI ist immer noch radikal. Ich glaube nicht, dass er sich schon überholt hat. Er macht etwas auf eine krasse Weise, auch weil er diese Vergewaltigung mit drin hat, dass die Frauen dann auf eine Art Rache-Tour gehen, ist immer noch radikal.
Famos: In deinem Film stehen die Filmemacherinnen ja auch durch ihre Herkunft der feministischen Frage unterschiedlich gegenüber. Apolline Traoré, eine feministische Filmemacherin in Burkina Faso zeigt in ihrem Film wie sich die Protagonistin mit einem Maschinengewehr wehrt, während sie in den militärischen Herrschaftsstrukturen von sexueller Gewalt bedroht wird.
Ich hatte mal ein Seminar über Jean Rouch, den französischen Filmemacher.Es ging um seine spezifische Ästhetik des Filmemachens. Er hat in Nigeria gedreht. Er hat in einer subjektiven Perspektive Einwohner eines Dorfes begleitet. Was man sah, war teilweise sehr misogyn. Das Töten von Tieren wurde gezeigt und zelebriert, aber kritiklos. Ein Tier, wie eine Löwin, das getötet wurde, wurde mit einer hinterhältigen Frau assoziiert. Ich hatte mich damit kritisch befasst und es war sehr merkwürdig. Ich wurde irritiert angeschaut, als dürfe man es nicht kritisieren, weil es um afrikanisches Kino geht. Muss man da nicht auch Kritik üben, ohne in eine rassistische Ecke gestellt zu werden? Wie erklärst du dir diese Zurückhaltung?
Es ist ja auch beim indischen oder iranischen Kino so.
IW: Das ist interessant. Ich weiß gar nicht, ob sich Apolline Traoré als „feministische“ Filmemacherin sieht, auch wenn sie in unserem Sinne feministisch denkt. Das Adjektiv würde ich vielleicht sogar rausnehmen. Es gibt ja auch Frauen, die Probleme mit dem Begriff haben und ihn nicht für sich reklamieren.
Ich habe leider diesen Film, von dem du sprichst, nicht gesehen. Generell stellt sich ja immer die Frage, ob das jetzt unsere westlichen Werte sind, die wir anderen Kulturen nicht abverlangen dürfen.
Ich sehe es aber universalistisch. Diese Werte gelten für alle Menschen, egal aus welcher Kultur. Gerade als Feministin finde ich es wichtig, dass Frauen und Mädchen überall auf der Welt diese Rechte für sich reklamieren können. Diese Rechte, Menschenrechte eben, sind eine Errungenschaft, die wir nicht kleinreden oder relativieren sollten aus einer vielleicht postkolonialistischen Scham heraus.
Famos: Kira Muratowa, die später mit einem Arbeitsverbot bestraft wurde, weil sie das sozialistische System kritisiert hat, versteht unter Härte etwas anderes als gewaltvolle Bilder. Wie meint sie das?
IW: Das hat sie so nicht gesagt. Sie meinte zwar, dass Frauen die härteren Filme machen, aber was sie damit gemeint hat, hat sie nicht weiter ausgeführt. Ich habe nicht weiter nachgefragt, weil mich so viele andere Themen an ihrer Arbeitsweise interessiert haben. Ich bin dann im Zuge der Recherche für No Mercy relativ schnell davon weggekommen, dass mit Härte eins zu eins Gewalt gemeint war. Damit beginnt eine filmische Suche und dafür lasse ich mich auf diese Gespräche mit den verschiedenen Regisseurinnen im Film ein.
Famos: Es geht im feministischen Film ja auch um Themen, die in männlichen Filmen nicht vorkommen. Mir ist aufgefallen, dass bei frühen feministischen Filmemacherinnen zur Zeit des Neuen Deutschen Films, diese Ambition, Frauenthemen zu machen, dann doch teilweise wieder eingeschränkt wurde. Themen wie Unterdrückung oder weibliche Sexualität standen immer unter einer übergeordneten Zensur. Das erklärt sich in der Dramaturgie. Ich hatte mal ein Interview mit Jutta Brückner, zum Film HUNGERJAHRE. Mit diesen Themen begeht die Hauptdarstellerin am Ende einen Selbstmordversuch. Es ist ein halbbiografischer Film.
Dieses Scheitern ist ja auch ein Zeichen von Schwäche, da sie an sich selbst scheitert. Ich habe das Gefühl, dass diese Filme damit auch einem männlichen Publikum wohlgesonnen sein sollen. Da das Patriarchat sich eher bestätigt fühlt. Wie siehst du das?
IW: Meinst du jetzt speziell auf den Neuen Deutschen Film bezogen?
Famos: Mir ist aufgefallen, dass diese Figuren oft scheitern, beim Versuch auszubrechen. Teilweise immer noch. Auch bei WATER LILLIES scheitert der Versuch. Die übergeordnete Leidenschaft der Protagonistin galt einem Jungen und dadurch scheiterte diese lesbische Liebe. Es ist immer auch auf ein männliches Publikum ausgerichtet.
IW: Das glaube ich jetzt erstmal nicht. Ich frage mich dabei auch, was sind männliche Dramaturgien? Es ist nicht alles durch und durch gegendert. Unter dieser Oberfläche des Gender sind wir doch alle Menschen. Und wir teilen ja ganz viel miteinander. Ganz unabhängig von unserem Gender. Ist es also wirklich eine männliche Dramaturgie, von der du sprichst, oder eher eine menschliche? Die andere Antwort wäre, dass es dramaturgisch ganz radikale Filme von Frauen gibt. Ich denke an WANDA von Barbara Loden. Oder von Chantal Ackerman, JEANNE DIELMANN, wo man sich stark außerhalb von klassischen Dramaturgien, Figurenkonstellationen und Konfliktdynamiken bewegt. Céline Sciamma hat übrigens im Nachhinein ihre älteren Filme dafür kritisiert, dass sie immer noch in bestimmten Konfliktdynamiken verweilen, die sie als patriarchal empfindet. Darüber spricht sie in No Mercy. In ihrem letzten Film PETITE MAMAN macht sie dann etwas ganz anderes. Es gibt immer die Versuche, ganz neue Narrative und Dramaturgien zu entwickeln. Zum Beispiel Mascha Schilinsky, die gerade in Cannes mit IN DIE SONNE SCHAUEN war. TITANE ist auf seine eigene Weise ebenfalls sehr radikal. Von daher würde ich es nicht so sehen, dass diese Filme oder Filme von Frauen generell oftmals einem männlichen Publikum gefallen wollen.
Famos: VAGABOND von Agnes Varda ist eine meiner Lieblingsfilme. Die Protagonistin nimmt sich ihre Freiheit einfach heraus, obwohl sie am Ende leider auch scheitert.
IW: Das ist immer wieder krass. Dass diese Frau am Ende wirklich tot ist. Ich weiß nicht, ob ich das als Scheitern sehe, weil sie ja am Anfang schon tot ist. Es wird ja rückwärts erzählt. Die meisten Filme, die wir in NO MERCY zitieren, sind nicht in dieser klassischen Dramaturgie. Klar, in WATER LILLIES geht es um eine erste enttäuschte Liebe. Aber es ist ja nicht nur ein Verlust, der da erzählt wird.
Das Ende von TONI ERDMANN finde ich übrigens auch wahnsinnig stark. Weil es unfassbar doppeldeutig ist, wo Ines, diese Geschäftsfrau, die ja auch ein ganz spröder, harter Typ ist, mit so einer seltsamen Verkleidung und einem Gebiss, das sie findet und einem komischen Hut, einfach nur dasteht und seltsam in die Ferne schaut. Das ist so vieldeutig und bizarr. Sie darf ihre Eigenheit, das Rätselhafte bis zum Ende behalten. Sie wird nicht eingegliedert in eine Art von Lösung. Eine Art von Romantik vielleicht. Oder dass sie erkennen würde, dass ihr Lebensentwurf falsch ist, oder dass sie sich versöhnen würde mit ihrem Papa und alles wird gut.
Famos: Teilweise haben sich die Filmemacherinnen in deinem Film widersprochen. Joey Soloway spricht davon, dass man Strukturen am Set komplett ändern muss durch eine Art weibliches Drehen [das sagst du zwar nicht, aber das würde deine Frage verständlich machen]. Wobei sie sich selbst Weiblichkeit abspricht. Nina Menkes spricht von weiblichen Geschichten in patriarchalen, ausbeuterischen Strukturen. Ist es aber nicht indirekt auch eine Kritik an den Frauen, die sich darin bewegen?
IW: Naja, das Leben ist so mannigfaltig und komplex, dass die Dinge und auch Menschen manchmal widersprüchlich sind. Ich denke, wenn sich eine Person auch mal widerspricht, macht sie oder ihn das tatsächlich menschlich. Dass sich die Regisseurinnen untereinander nicht immer einig sein würden, hatte ich durchaus erwartet.
Das sollte der Film auch widerspiegeln und ich bin froh, dass er es auch tut. Du fragst aber auch danach, ob ein Film bestimmte, vielleicht traumatische Bilder nicht auch reproduziert. Das ist eine superwichtige Frage. Zum Beispiel beim Thema Vergewaltigung. Ich bin für mich selbst zum Schluss gekommen, dass ich keine Vergewaltigung einer Frau in einem Film von einem Mann sehen will. Ich kann mir das anschauen, in einem Film von Frauen, denn da ist es eben anders konnotiert und aus einer bestimmten gesellschaftlichen Erfahrung heraus erzählt. In der Tat denke ich, dass das „außertextliche“ eines Films, wie zum Beispiel das Geschlecht der Regie, oftmals unsere Wahrnehmung eines Films mitprägt.
Famos: Gibt es Filmemacher, die feministische Filme machen können?
Ich hatte MIROIRS NO.3 gesehen von Christian Petzold. Oder auch THE WITNESS von dem iranischen Filmemacher Nader Saeivar.
IW: Warum war der feministisch?
Famos: Es geht um zwei Frauen, die auch unterdrückt werden, es geht da um zwei Ebenen in der Erzählung, eine Spiegelung, und sie befreien sich selbst aus ihren Lebensmodellen.
IW: Ich stimme dir zu. Jeder kann feministisches Kino machen, wenn er oder sie feinfühlig und intelligent genug ist.
Famos: Ich bedanke mich sehr für das Gespräch. (von Stella Christine Dunze)
Interview mit Isa Willinger über ihren neuen Dokumentarfilm NO MERCY