THE WITNESS: EIN DICHTES und Vielschichtiges DRAMA mit einem authentischen Auge auf das leben im iran

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THE WITNESS: EIN DICHTES und Vielschichtiges DRAMA mit einem authentischen Auge auf das leben im iran *

TANZ BIS ANS ENDE.

  • „Das Wichtigste ist, immer weiterzutanzen, selbst wenn ihr einen Fehler macht. Wenn ihr also einen Tanz beginnt, solltet ihr ihn immer beenden."

    5. August 2025. Es ist der dritte Underground-Film des Regisseurs Nader Saeivar zusammen mit Jafar Panahials Co-Drehbuchautor. Am Montag fand seine Preview im Cinestar Frankfurt statt.

    Das Regime im Iran tötet bis heute Frauen, die sich dem Widerstand anschließen. Auch der Mord innerhalb der Ehe ist legitim. Ausgehend von der letzten feministischen Revolution im Iran, wollte der Regisseur unbedingt die Iranerinnen in den Mittelpunkt seiner Handlung stellen. Er selbst ging mit auf die Straße und bekam Angst, während die jungen Frauen blieben, und entschied sich daraufhin, diesen Film zu drehen. Aufgrund der Gefahrenlage mussten die Darsteller*innen des Films das Land nach Abschluss der Dreharbeiten verlassen und leben heute im Exil.

    Der Hauptdarstellerin Maryam Boubani wurde allerdings die Ausreise verwehrt.

  • Mutter ist Voyeurin und Machtfigur

    Während Zara (Hana Kamkar) zu ihren Schülerinnen spricht, lächelt das wunderschöne alte Gesicht von Tarlan (Maryam Boubani). Ihre Enkelin Ghazal (Ghazal Shojaei) umarmt sie liebevoll bevor sie zu den Tänzerinnen geht, um mit ihnen folklorisch zu tanzen.

    Die Kamera fixiert dabei die alte Dame, eine pensionierte Tanzlehrerin, fährt langsam auf sie zu, dringt in sie hinein und sieht Glückseligkeit. Selbstbewusst zu tanzen, darum geht es. Diese Haltung markiert das neuste Familiendrama des iranischen Regisseurs Nader Saeivar THE WITNESS. Tanzen ist der Weg zur Freiheit.

    Diese Kraft birgt eine politische Dynamik, die ein ganzes Land, den Iran, in Bewegung versetzt. Der Film handelt davon, die eigene Würde zu riskieren für Freiheit, Humanität und Gerechtigkeit gegen die Unterdrückung eines diktatorischen Unrechtstaates. Er ist Spiegel gesellschaftlicher Gegenwart im Geflecht geopolitischer Kriege, doch hier nicht mehr als kulturelle Fremdheit fern der eigenen Blase, sondern als Teil der eigenen Identität.

    THE WITNESS erzählt ein thrillerartiges Familiendrama, das sich von Minute zu Minute tiefer in die Familie verstrickt. Die Spannung ergibt sich aus den sich verändernden Beziehungen zueinander. Die indirekte Machtfigur ist Tarlan, die Heldin des Films, die nur mit  ihrem Sohn Solat (Farid Eshaghi) leiblich verwandt ist. Ihr späterer Verdacht  wegen Femizid gegen ihren Schwiegersohn und ihr Kampf für seine Verurteilung gestaltet sich zum spannenden Intrigenspiel.

    Die alte Dame, ihre erwachsene Ziehtochter Zara und deren Tochter Ghazal stehen sich sehr nahe im Widerstand gegen das Patriarchat. Im Spiegel dieser drei Generationen vollzieht sich ein emanzipatorischer Prozess innerhalb der iranischen Elite.

    Tarlan wird unter ihren Kolleginnen als Anführerin der Lehrergewerkschaft gefeiert, die Proteste und Widerstand gegen das Regime organisieren und dafür sogar ihr Leben riskiert. Zara und ihre Tochter leiten ein eigenes Tanzstudio, Symbol eines modernen weiblichen Bewusstseins, das sich in den sozialen Medien präsentiert.

  • Regisseur Nader Saeivar dreht ab Oktober mit Nastassja Kinski und Moritz Bleibtreu.

    Tarlan ist Schlüsselfigur für das Überleben ihrer Söhne: Ihr einziger leiblicher Sohn Salar (Abbas Imani) sitzt im Gefängnis wegen Überschuldung. Ihr Schwiegersohn Solat betreibt dubiose Geschäfte und gehört dem iranischen Regime an. Die ausgeübte Freiheit seiner Ehefrau und Adoptivtochter empfindet er als Bedrohung für sein gesellschaftliches Ansehen.

    Tarlan durchschaut Solats Intrigenspiel, doch durch die Sichtweisen beider Söhne wird klar, dass auch sie Opfer der Obrigkeit sind. Die Widersprüche  und Selbstzweifel der Akteure erzeugen eigendynamisch eine neue Spannungsebene.

    Beim Betreten des Hauses ihres Sohnes Solat wird  Tarlan Zeugin eines Mordes, während er das Schlafzimmer verlässt. 

    Der Tod ihrer Tochter Zara treibt Tarlan in einen unerbitterlichen Kampf für Gerechtigkeit.  Auf ihren Anfachtsverdacht folgt ein mitreißendes Psychodrama weiblicher Selbstbefreiung.

    Doch dieser Kampf, der gesellschaftlich die Schlagkraft einer Genration symbolisiert, offenbart auch Widersprüche in sich. In ihrer eigenen Besessenheit verkennt Tarlan die Gutmütigkeit ihres Vermieters und die Perspektivlosigkeit ihres Sohnes Salar, der sich gleichzeitig als Opfer des Regimes und des Widerstandes seiner Mutter sieht. 

    Mäuse im Haus treiben Tarlan in den Wahnsinn, die auch Symbol politischer Gewalt sind: "Wie dem auch sei, Ihnen zuliebe, werde ich sie alle erhängen.", verspricht ihr Vermieter.

    Der Film entwickelt sich zu einem sich zuspitzenden Drama, das  schließlich den Kreis des Tanzes auf wundervolle Weise schließt. Hauptdarstellerin Maryam Boubani bietet mit ihrer Präsenz eine starke Identifikationsfläche.

    THE WITNESS ist ein überragend spannendes, verwobenes und dichtes Drama. Dies gelingt durch die vielen Wendungen der Figuren und der Anmut und Größe seiner beiden Hauptdarstellerinnen.

    Im Oktober beginnen die Dreharbeiten von Nader Saeivars neuem Film mit Nastassja Kinski und Moritz Bleibtreu. THE WITNESS startet am 28.8.2025 in den Kinos. von Stella Christine Dunze